Eine Trauerrede zu schreiben gehört zu den berührendsten und herausforderndsten Aufgaben, die uns im Leben begegnen. Eigene Worte für eine Beerdigung oder Trauerfeier zu finden, bedeutet nicht nur, die verstorbene Person zu ehren, sondern auch die eigene Trauerbewältigung aktiv zu gestalten. In diesem Beitrag teile ich meine persönlichen Erfahrungen und gebe konkrete Tipps, wie du deine eigene Trauerrede verfassen und vortragen kannst – auch dann, wenn die Emotionen dich überwältigen.
Trauerrede schreiben: So habe ich meinen Weg gefunden
Wenn dich mein Text „Die Trauerrede - welche Vorteile es hat, wenn du sie selbst schreibst" ermutigt hat, dann habe ich hier noch ein paar heiße Tipps für mutige Redner*innen. Denn am Anfang jeder noch so kleinen Rede steht das grausame leere Blatt.
Dadurch, dass ich selbst auf einmal eine nahestehende Hinterbliebene geworden bin, musste ich mich intensiv mit dem Leben unseres verstorbenen Freundes beschäftigen. Zum Organisatorischen gehört es, die Sterbeurkunden seiner bereits verstorbenen Eltern und Geschwister zu finden und biografische Eckdaten zu recherchieren. Zudem lag es nun an mir, die Beisetzung und Trauerfeier zu organisieren und andere Freunde und Bekannte einzuladen.
Do's & Don'ts bei Trauer - Ein Blick hinter die Tränen
Verschiedenste Freundinnen und Freunde erzählten mir Anekdoten, gemeinsame Erinnerungen, Streits, Überraschendes. Viel Input, viel zu verarbeiten. Stoff für meine Rede. Ich lernte Dinge über unseren Freund, die mir komplett neu waren und begann mir Notizen zu besonders schönen, bewegenden oder auch lustigen Geschichten zu machen. Und ich stellte mir folgende Fragen:
- Welche Merkmale von ihm sind mir besonders im Gedächtnis geblieben? Was vermisse ich am meisten? Eine Lieblings-Redewendung, sein lautes Lachen nach unverschämten Witzen, seine Hundeliebe zum Beispiel…
- Was hat er im Leben wohl am meisten geliebt? Eine bestimme Person, eine Band, eine Insel, Lakritz, seine Vespa oder ähnlich…
- Welche drei Situationen mit ihm erinnere im am besten oder fand ich am bemerkenswertesten?
- Was konnte er am besten?
- Welche (anstrengende/nervige) Eigenart hat ihn teilweise unausstehlich gemacht? Worin war er nicht so gut?
- Was konnte er am besten? Wo lagen seine Talente?
- Wo befand sich sein Lebensmittelpunkt und wie war sein Leben in etwa aufgebaut? Welche biografischen Ereignisse sind wichtig?
- Welche Anekdoten/Erinnerungen von Dritten und mir beschrieben ihn gut oder sind besonders schön, tief oder auch witzig?
- Und ganz wichtig: wofür bin ich ihm dankbar?
- Auch ganz wichtig: was wünsche ich ihm für die Ewigkeit? Was hätte ich noch gern mit ihm erlebt oder ihm noch gesagt?
Tipp: Solche Leitfragen helfen, eine persönliche Trauerrede zu strukturieren und trotz Gefühlsflut einen klaren roten Faden zu behalten.
Persönliche Trauerrede: Authentisch bleiben trotz Trauerschmerz
Bei deiner persönlichen Trauerrede kannst du deine eigenen Emotionen ausdrücken, aber in völliger Anfangsblindheit und Gefühlsflut auch erstmal Fakten zurückgreifen. Wenn du so eine Rede selbst verfassen willst, dann hat es mit großer Wahrscheinlichkeit den Grund, dass dir die verstorbene Person sehr viel bedeutet hat. Deine Worte sind dann echt, selbst wenn deine Erinnerungen vielleicht subjektiver Natur sind. Ein Sprichwort sagt „De mortuis nil nisi bene“ – lateinisch für „Über die Toten nur Gutes.“ Bei einer intimen Rede wird augenzwinkernde Kritik jedoch nicht ausbleiben. Du kanntest die Person sehr gut, wahrscheinlich ich lange und ihr wart euch vertraut. Solche engen Bindungen sind oft von Ambiguitäten geprägt. Es wäre Unsinn zu denken, dass sie dir nie auf die Nerven gegangen ist. Gerade das kann eure Beziehung hervorheben – indem du ausdrückst, wie sehr du sie trotz ihrer Fehler gemocht oder geliebt hast.
Die Schriftstellerin Joan Didion hat bei der Trauerrede über ihren verstorbenen Mann gesagt: „Er konnte unfassbar reizbar sein. Er konnte eigensinnig sein. Er konnte über Kleinigkeiten streiten, als hinge sein Leben davon ab. Aber er war mein Leben.“ Noch galgenhumoriger trifft es John Cleese über Graham Chapman (1989): „Graham hätte es geliebt zu wissen, dass ich der erste Mensch in der Geschichte bin, der das Wort ‘Scheiße’ bei einer britischen Beerdigung gesagt hat.“ Humor ist auch Ehrlichkeit. Wir dürfen ehrlich sein, wenn wir unsere Trauer und Wertschätzung für die verstorbene Person ausdrücken. Ich persönlich finde sogar, dass wir lachen dürfen, wenn wir vor der Trauergemeinde stehen – weil wir am Leben sind. In solchen Momenten sind wir vielleicht besonders dankbar für das, was wir haben und hatten.
Mit Trauernden sprechen: Wie Beileid zeigen, wenn Worte fehlen?
Das Vortragen der Trauerrede: kleine Hilfen für den Moment
Wenn du vor der Trauergemeinde stehst, ruf dir in Erinnerung: du hast versucht Worte für etwas zu finden, für das es gar nicht genug Worte geben kann. Eine Trauerrede zu halten, ist ein Balanceakt zwischen Würde und Emotion. Doch was, wenn mitten im Sprechen die Stimme wegbricht der doch die Tränen kommen?
Hier ein paar Tricks, um sich in solchen Momenten zu fangen oder die Emotion zu nutzen.
- Tief durchatmen hilft, wenn sich die Kehle zuschnürt. Ein ruhiges Ein- und Ausatmen signalisiert dem Körper, dass keine Panik nötig ist. Eine kurze Pause kann ebenfalls Wunder wirken – niemand erwartet, dass du ohne Unterbrechung durchsprichst. Hier findest du verschiedene Atemübungen.
- Wenn der Blickkontakt mit der Trauergemeinde zu überwältigend ist, fixiere einen festen Punkt. Notizen, eine Kerze oder einfach ein Punkt im Raum helfen, sich nicht völlig von der eigenen Trauer mitreißen zu lassen.
- Ein Glas Wasser griffbereit zu haben, kann helfen, wenn die Stimme versagt. Ein Taschentuch in der Hand gibt Sicherheit. Und falls du befürchtest, gar nicht mehr weitersprechen zu können, ist es beruhigend, eine Person einzuweihen, die im Notfall übernimmt.
Perfektion ist nicht das Ziel. Eine Trauerrede darf stocken, darf leise sein, darf von Tränen unterbrochen werden. Wichtig ist nur, dass sie gesprochen wird.
Persönliche Trauerrede: Eigene Worte sind ein Geschenk
Eine selbst geschriebene Trauerrede ist mehr als ein Text – sie ist ein Geschenk. Für die Trauergemeinde, für die verstorbene Person und nicht zuletzt für dich selbst. Sie schafft Nähe, schenkt Trost und hilft, die eigene Trauer zu verarbeiten.
Mein Plädoyer: Trau dich, deine eigenen Worte zu finden. Sie müssen nicht perfekt sein. Sie müssen nur echt sein.
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Autorin: Chiara Lemburg-Augenreich Chiara beschäftigt sich mit den großen und kleinen Fragen rund um Verlust, Trauer, Tod und Verarbeitung. Als Literaturwissenschaftlerin weiß sie, wo die fundiertesten und spannendsten Antworten zu finden sind und verbindet wissenschaftliche Recherchen mit ihrer ganz persönlichen Stimme. Ihre Texte für das Vergiss Mein Nie Magazin öffnen Denkräume und zeigen, dass das Ende des Lebens viele Geschichten erzählt. Und diese können manchmal nicht nur traurig, sondern auch unerwartet faszinierend sein. |