Manche Wege beginnen mit einem schweren Herzen. Und oft werden sie mit jedem Schritt leichter. Auch wenn du dich heute nicht danach fühlst – es ist wichtig und tut gut, einen Schritt zu tun auch wenn's erstmal nur mit einem kleinen Stein über ein Blatt Papier geht.
Dieses Ritual ist eine Einladung zu einem besonderen Spaziergang: nicht durch den Wald oder die Straßen, sondern durch deine Innenwelt. Mit einem Stift, einem Stein und ein bisschen Zeit kannst du eine stille, achtsame Reise antreten, die deiner Seele gut tut.
Was du brauchst: Deine kleine Ausrüstung für das Trauerritual
- Einen Stift, am liebsten einer, der fast schon von selbst über das Papier läuft.
- Einen Stein, handlich, rundlich, gerne mit Charakter (kein Stein ist zu klein, um bedeutend zu sein).
- Ein Blatt Papier, dein innerer Wanderweg für heute.
- Optional: Deine Lieblingsmusik, ein Becher Tee, ein schöne Aussicht.
So funktioniert der Steinspaziergang: Der erste Schritt ist ein Schieben
Breite das Papier vor dir aus wie eine Landschaft.
Setze den Stift senkrecht auf das Papier, aber nicht zum Schreiben, sondern als Wegweiser.
Platziere den Stein davor. Spüre kurz: schwer, kühl, real. Wie vieles, das du mit dir herumträgst.
Jetzt: Schiebe den Stein mit ruhiger Hand über das Papier, sodass der Stift hinter ihm seine Spur zieht.
Keine Eile, das ist ein Spaziergang, kein Sprint.
Warum das gut wirkt? Weil auch dein Gehirn hier mitspaziert
Trauer ist oft wie ein undurchdringlicher Wald. Man verliert sich leicht. Der "Steinspaziergang" gibt dir einen Trampelpfad unter die Füße. Keine großen Entscheidungen, keine Worte, keine Antworten nötig, nur ein sanfter Schub, eine kleine Spur, ein leiser Abdruck auf dem Papier.
Fokussiertes Schieben = kognitive Fußgängerzone.
Das monotone Gleiten beruhigt die Amygdala, jenes stressverliebte Mandelkernchen im Gehirn, und aktiviert das ventrale vagale System. Das ist der Teil deines Nervensystems, der sagt: "Du bist sicher. Du darfst langsam gehen. Du darfst fühlen."
Der Kortex schnürt seine Wanderschuhe.
Durch die wiederkehrende Bewegung bei gleichzeitiger sanfter Aufmerksamkeit passiert etwas Magisches: Dein präfrontaler Kortex (Sitz der Vernunft, der Planung, des Überblicks) meldet sich wieder zu Wort, ein bisschen wie ein Wanderführer mit Karte: "Schau, es gibt doch noch einen Weg."
Du trittst aus dem Grübel-Rundweg heraus.
Im Gehirn nennt man das das "Default Mode Network", ein Bereich, der aktiv ist, wenn wir sinnieren, uns verlieren, feststecken. Beim Steinschieben verlässt du diesen gedanklichen Kreisverkehr und schlägst neue Pfade ein, ohne wirklich denken zu müssen.
Und plötzlich ist da ein Weg.
Was bleibt, wenn du ankommst?
- Eine Karte aus Linien und Kurven.
- Ein kleiner Weg durchs weiße Blatt.
- Und das Gefühl, dass du gegangen bist, innerlich, achtsam, still.
Vielleicht ist es nur ein Zentimeter für die Außenwelt. Aber für dein Innenleben war es ein echter Schritt. Oder zwei. Für dich. Für deine Trauer.
Wenn du magst, geht die Reise weiter – zum nächsten Ritual, das dir hilft, inneren Sperrmüll loszuwerden und Raum für Neues zu schaffen. Du findest es hier.
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Anemone Zeim Anemone Zeim ist Gründerin von Vergiss Mein Nie und schreibt hier über das, was bleibt, wenn das Leben einen Punkt macht – oder manchmal nur ein Komma. Sie bewegt sich elegant zwischen klugen Fußnoten, wildgewordenen Gedanken und poetischen Bauchgefühlen. Sie entwickelt Rituale für Trauernde, die anders sind, die Freude machen, die wirken. Anemone glaubt daran, dass Trauer mehr kann als traurig sein – nämlich verbinden, verwandeln und manchmal sogar ein kleines bisschen glitzern. |